Arbeitsberichte Heft 22, 2012
Hrsg.: Franz Schopper; Archäologische Gesellschaft in Berlin und Brandenburg e. V.
288 Seiten, 155 Abbildungen, 65 Tafeln, 2 Beilagen
Wolkenberg, Ende und Anfang zugleich
Wolkenberg ist das erste Dorf im Niederlausitzer Braunkohlenrevier, in dem vor der Überbaggerung großflächige archäologische Ausgrabungen stattgefunden haben. Das war ein Novum in der Dorfarchäologie über die Region hinaus für das gesamte Land Brandenburg. Damit ist hier zu Beginn der 1990-er Jahre eine Entwicklung eingeleitet worden, die einerseits
aus Sicht des Bodendenkmalschutzes längst erforderlich und andererseits für die Mittelalterarchäologie ein gewaltiger Schritt nach vorn war. Von 50 zuvor hier umgesiedelten und abgetragenen Dörfern konnten trotz vollkommen unzulänglicher Rahmenbedingungen bis dahin wenigstens einige Kirchen und einzelne Gutshäuser und damit gewissermaßen die
Kristallisationspunkte der Dorfgenese durch Ausgrabung dokumentiert werden. Viele Orte ohne Kirche blieben jedoch ohne jeden auch noch so kleinen archäologischen Schnitt. Bedauerlicherweise ist so die aus ökonomischen Gründen unvermeidlich gewesene Vernichtung des gesamten Bodendenkmalbestandes von Dorflagen und damit ein –
forschungsgeschichtlich bedingt erst allmählich erkanntes – gewaltiges
Forschungspotenzial bis auf wenige kleinste Einblicke ungenutzt
geblieben.
In Wolkenberg kamen die politische Wende und damit das Brandenburgische
Denkmalschutzgesetz (DSchG) von 1991 gerade noch rechtzeitig vor der
unwiederbringlichen Zerstörung.
Die Umsetzung des archäologischen Großprojektes auf der Grundlage eines
damals keinesfalls allgemein üblichen Grabungskonzeptes einschließlich
der Schaffung der erforderlichen Grabungs-Infrastruktur war vor allem
unter dem Zeitdruck der unmittelbar im Jahr 1994 bevorstehenden
Überbaggerung nicht ganz einfach. In Wolkenberg erfolgte einer der
ersten großen Grabungsfirmeneinsätze des Landes Brandenburg überhaupt.
Mit der Voruntersuchung durch zahlreiche Schnitte und der flächigen
Ausgrabung war die im Rheinland ansässige Fachfirma LAND GmbH
beauftragt. Die Kirche, ein Teil des Friedhofes und der Gutshof wurden
von verschiedenen Grabungsteams unter der Gesamtleitung des neu
geschaffenen Referates Braunkohlenarchäologie am damaligen
Brandenburgischen Landesmuseum für Ur- und Frühgeschichte mit großem
Engagement und unterstützt durch Partner wie das Heidemuseum Spremberg,
das damalige Brandenburgische Landesamt für Denkmalpflege und die
Universität Göttingen ausgegraben.
Wie die in diesem Band vorgelegten Ergebnisse der Auswertung von
Befunden und Funden zeigen, konnten wichtige neue Erkenntnisse zur
Dorfgenese, zur Entwicklung der Dorfform und zur Baugeschichte der
Kirche mit hölzernen Vorgängerbauten gewonnen werden. Diese Resultate
eröffneten eine neue Sicht auf die Gründung der Dörfer am
Niederlausitzer Landrücken durch slawische Initialsiedlungen um 1200,
was die Ausgrabungen der Nachbarorte dann bestätigten.
Vorliegende Publikation, durch die dankenswerte Initiative von Ines
Spazier zustande gekommen, macht nun diese erste Dorfgrabung des
Niederlausitzer Braunkohlenreviers allgemein zugänglich. Damit liegen
zugleich teils schon vor längerer Zeit erfolgte Bearbeitungen wie die
Magisterarbeit von Sebastian Heber in gedruckter Form vor. Die mit
Wolkenberg eingeleiteten archäologischen Untersuchungen von Dörfern
bilden zusammen mit den im Braunkohlenrevier laufenden Ausgrabungen
ganzer Gewannfluren die Grundlage für die Erforschung der
hochmittelalterlichen slawisch-deutschen Ostsiedlung der Niederlausitz.
Eberhard Bönisch
Referatsleiter Braunkohlenarchäologie
Brandenburgisches Landesamt für Denkmalpflege und Archäologisches Landesmuseum